„Im Falle der Fassadendämmung wurde bei jedem uns bisher bekannten Citec-Haus behauptet, dass die Fassade zu über 10% der Gesamtfläche schadhaft sei.“
(Zitat aus dem Blog Citec-Network)
Chronik der Ereignisse seit Winter 2017 bis heute
● Vor dem Eigentümerwechsel: Im Jahr 2017 lässt der Voreigentümer Ascania S.a.r.l. die Giebelseite des Hinterhauses dämmen, ohne eine dafür erforderliche Genehmigung beim Bauamt einzuholen. Damit war diese Modernisierung rechtswidrig, denn kurz vor dem Verkauf des Hauses verhängt das Bezirksamt hierüber ein Bußgeld. In dieser Zeit ziehen aus vier von sechs Wohnungen die Mieter aus. Später werden die Wohnungen umfassend modernisiert und durch den neuen Eigentümer für ca. 13 €/qm kalt vermietet.
● Im März 2018 wird das gesamte Haus von der WiBeImmobilieninvest GmbH in Wien erworben. Öffentlich zugängliche Informationen über diese Gesellschaft gibt es praktisch keine.
● Am 20.04.2018 kündigt der vom neuen Eigentümer bevollmächtigte Rechtsanwalt Andre Tessmer umfangreiche Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, insbesondere eine energetische Modernisierung der Fassade an. Modernisierungen sind in einem sozialen Erhaltungsgebiet genehmigungspflichtig und an Bedingungen geknüpft. Vor allem muss für eine energetische Modernisierung nachgewiesen werden, dass die Fassade zu mindestens 10 % schadhaft ist.
● Ein Anruf beim zuständigen Stadtentwicklungsamt ergibt, dass kein Antrag zu dieser Maßnahme vorliegt. Man bittet uns, die Ankündigung an die Behörde zu senden und kündigt an, den Vermieter anzuschreiben. Ein Antrag zu dieser ersten Ankündigung wird jedoch nie gestellt.
● Am 14.05.2018 teilt die Mieterberatung Neukölln im Auftrag des Stadtentwicklungsamts den Mieter*innen mit, dass nach Aussage des Voreigentümers „die Fassaden vorwiegend nicht schadhaft sind (unter 10 %)“. Eine Wärmedämmung sei somit nicht erforderlich.
● Am 26.10.2018 kündigt die Hausverwaltung Instandsetzungsarbeiten (Sanierung der Balkone und des Daches, Anstrich der Fassade) an. Eine Modernisierungsabsicht wird nicht erwähnt.
● Ende November 2018 beginnt die Einrüstung des Hauses und die Abdeckung mit einer blickdichten Plane.
● Anfang Dezember wird die Fassade an zwei Tagen an zahlreichen Stellen mit Farbe besprüht. Es stellt sich heraus, dass es sich um Markierungen von Schäden handeln soll.
● Unmittelbar danach, am 07. und 08.12.2018, werden von ca. fünf Arbeitern mit Bohrhämmern erhebliche Teile des Putzes abgetragen. Die vom Putz befreiten Flächen könnten um 10 % der Gesamtfläche der Fassade ausmachen, die Begutachtung der Schäden hat aber bereits vorher stattgefunden. Das Ergebnis wird fotografisch dokumentiert.
[ngg src=“galleries“ ids=“2″ display=“basic_thumbnail“]● An den weit überwiegenden bearbeiteten Stellen sind keine Vorschäden erkennbar. In weiten Teilen stimmen Markierungen und entfernte Putzstellen nicht überein. Die Putzentfernung wird mit “Gefahr für Leib und Leben” von Passanten und Mietern begründet.
● Am 28.12.2018 kündigt der Rechtsanwalt der WiBe erneut eine energetische Modernisierung an. Demnach sei durch einen Sachverständigen für Bauschäden festgestellt worden, dass „mehr als 10% der Bauteilfläche instandgesetzt werden müssen.“ Ferner wird mitgeteilt, dass daraufhin erneut bei dem zuständigen Bezirksamt ein Antrag auf Genehmigung für die Anbringung eines straßen- und hofseitigen Wärmedämmverbundsystems gestellt wurde und kurzfristig mit einem positiven Bescheid gerechnet werde.
● Am 01.01.2019 tritt die neue Regelung zur Modernisierungsumlage in Kraft. Die zulässige Höhe der Umlage sinkt von 11% auf 8% pro Jahr.
[ngg src=“galleries“ ids=“3″ display=“basic_thumbnail“]● Entgegen der Behauptung des Vermieters liegt vorerst kein Antrag des Eigentümers auf Genehmigung einer Modernisierung vor.
● Am 05.02.2019 wird nach dem Widerstand vieler Mieter*innen die Bauplane entfernt. Die umfangreichen Anbohrungen der Fassade sind nun deutlich sichtbar.
● Im März 2019 wird beim Stadtentwicklungsamt der angekündigte Antrag eingereicht. Nach Vervollständigung der Unterlagen werden zwischen Stadtentwicklungsamt und Eigentümer unter anderem die Methoden zur Berechnung des schadhaften Flächenanteils diskutiert.
● Der Eigentümer weist gezielt auf die aus seiner Sicht nunmehr entstandene Rechtsunsicherheit hin und macht auf angebliche Kompromisse in anderen Bezirken aufmerksam. Dort sollen mit sogenannten Modernisierungsverträgen langjährige Rechtsstreitigkeiten vermieden werden.
● Das Bezirksamt zeigt sich offen für eine solche Lösung und lässt eine Regelung vom Baustadtrat prüfen, die kaum über die Rechtslage ohne Milieuschutz hinausgeht. Nachdem dieser grünes Licht gibt, wird dem Vermieter unter diesen Bedingungen eine Genehmigung grundsätzlich in Aussicht gestellt.
● Am 30.07.2019 findet zur weiteren Erörterung der Angaben im Modernisierungsantrag mit Vertretern des Bezirksamts und der Vermieterseite eine Ortsbesichtigung statt. Der Eigentümer und dessen beauftragter Sachverständiger versuchen, die Mitarbeiter des Bezirksamts von der geplanten Maßnahme zu überzeugen. Der bezirksseitige Energiebeauftragte prüft dabei kritisch die bauliche Situation und die Aussagen des Sachverständigen und fertigt hierüber einen sog. Baustellenbericht an.
● 14.-17.06.2019: Nachdem der Berliner Senat die Mietpreisbremse ab 2020 ankündigt, erhalten auch die Mieter Ankündigungen für Mieterhöhungen um 15 %.
● Anfang August 2019 lehnt das Stadtentwicklungsamt Neukölln den Antrag auf Modernisierung ab. Aus den Akten des Bezirksamts geht hervor, dass bei der Hausbegehung von Bezirksamt und Vermieter, sowie Gutachter des Vermieters eine bisher unbeachtete Fassade in den Blick gerät. Von der Giebelseite des Hinterhauses war im Antrag angenommen worden, dass sie schadenfrei ist. Da der dortige Putz aber vermutlich noch aus der Bauzeit des Gebäudes ist, nimmt der Eigentümer eine wesentlich stärkere Schädigung an. Er macht deutlich, dass er aufgrund der nun eindeutigeren Lage den Antrag neu stellen will.
● Den Mietern wird kommuniziert, dass ein Widerspruch gegen die Entscheidung beabsichtigt ist, obwohl dieser zu dem Zeitpunkt bereits nicht mehr möglich ist.
● In dieser Zeit kommt nach und nach die Müllentsorgung zum Erliegen, wodurch ein massives Rattenproblem im Hof entsteht. Bereits vor Monaten hatte die Hausverwaltung die Papiertonne abbestellt. Es folgten Probleme mit der gelben Tonne und schließlich mit dem Restmüll. Die Hausverwaltung reagiert nicht oder ausweichend (“keine Zeit”), bis das Gesundheitsamt eingreift.
● Mitte November 2019, der Vermieter lässt die Rückwand des Hinterhauses einrüsten und verhängt sie mit einer blickdurchlässigen grünen Plane. In der Wand der Giebelseite befinden sich keine Fenster.
● Im Januar 2020 stellt der Eigentümer erneut einen Antrag auf energetische Modernisierung beim Stadtentwicklungsamt Neukölln. Dieser ist aktuell in Bearbeitung.
WiBe Immobilieninvest GmbH – Wer ist das eigentlich?
Über das Unternehmen sind praktisch keine Informationen zu finden. Einen Internetauftritt gibt es abgesehen von einer Art Visitenkarte nicht. Es fällt jedoch auf, dass die Wiener Adresse der WiBe GmbH mit jener der Citec Immo Invest GmbH übereinstimmt, also dem Investor, der unter Einsatz derselben Akteure in exakt gleicher Weise auch bei anderen Mietshäusern vorgeht.
Das System Citec
An weiteren Beispielen zeigt sich, wie das Unternehmen Citec vor allem mit energetischen Modernisierungen versucht, höhere Erträge aus Mieteinnahmen zu generieren.
Eine grafische Übersicht über das Firmennetzwerk der Citec / WiBe findet sich hier.
Beispiele:
[ngg src=“galleries“ ids=“7″ display=“basic_thumbnail“]Dieses Haus ist Eigentum der Citec Immo Invest GmbH (Jetzt ADO 9160 Grundstücks GmbH). Im Jahr 2017 wurde auch hier über den Rechtsanwalt Tessmer eine Instandsetzung und Modernisierung angekündigt. Die Beantragung beim Bezirksamt verlief aber nicht erfolgreich, so dass die Maßnahme nicht verwirklicht wurde. Ende 2018 ereignete sich auch dort exakt das Gleiche wie später in der Emser Straße bis die (selbe) Baufirma begann, nach dem selben Muster den Putz abzuschlagen. Da diese Arbeiten der angekündigten Instandsetzung widersprachen, haben die Mieter des Hauses einen Baustopp erwirkt. Dadurch blieb die Fassade überwiegend erhalten. Es erschien auch dort der selbe Bausachverständige, um die Fassade zu begutachten.
Weitere Informationen über die Situation in der Karl-Kunger-Str./Bouché-Str. sind hier zu finden.
Die Aktivitäten der Citec GmbH begannen hier bereits 2014 und umfassten noch zahlreiche andere „vorbereitende“ Maßnahmen. Die Ankündigung der energetischen Modernisierung erfolgte zu einer Zeit, als die Straße noch nicht in einem Milieuschutz-Gebiet lag. Daher lagen die Hürden für die Genehmigung einer Modernisierung niedriger. Vergleichbar sind jedoch die Auswirkungen, wenn Härtefälle geltend gemacht werden.
Weitere Informationen über die Situation in der Friedelstraße 54 sind hier zu finden.
Aus dem Wissensschatz des Citec-Network:
„Im Falle der Fassadendämmung wurde bei jedem uns bisher bekannten Citec-Haus behauptet, dass die Fassade zu über 10% der Gesamtfläche schadhaft sei. Dies ist frei erfunden und mitunter regelrecht absurd. Es gibt Beispiele von Häusern, die nur wenige Jahre zuvor vollständig renoviert wurden und dennoch eine dermaßen beschädigte Fassade haben sollen. Die Angabe solch hoher Werte ist wichtig, da ab 10% Fassadenschaden die Eigentümer vom Gesetzgeber sozusagen verpflichtet sind zu modernisieren – und in diesem Fall finanzielle Härtefälle nicht geltend gemacht werden können: Wer das Geld für die neue, extrem erhöhte Miete nicht mehr aufbringen kann, muss ausziehen und seine Wohnung aufgeben. Durch diese Methoden macht sich die Citec zu einem aktiven Verdränger von armen und geringverdienenden Menschen aus der berliner Innenstadt!“
(weitere Informationen auf dem Blog des Netzwerks)